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Wie Zwingli die Reformation startete: Er fing an mit Matthäus Kapitel 1, Vers 1

Gedenkstatue für den Pfarrer, Reformator und Soldat Ulrich Zwingli vor der Wasserkirche in Zürich. | © Andreas Wissmiller
Gedenkstatue für den Pfarrer, Reformator und Soldat Ulrich Zwingli vor der Wasserkirche in Zürich. | © Andreas Wissmiller

Mit dem Amtsantritt Ulrich Zwinglis als «Leutpriester» (Pfarrer) am Grossmünster in Zürich am Neujahrstag 1519 begann die Reformation in der Schweiz anzulaufen, die in Deutschland schon am 31. Oktober 1517 ins Rollen gekommen war. − Ein Blick zurück von Albert Gasser und eine ausführliche Medienliste zum Zwingli-Kinofilm, zusammengestellt von Urs Stadelmann.

Es war auch der 35. Geburtstag des aus Wildhaus stammenden Geistlichen. Erst war er Pfarrer in Glarus gewesen und zuletzt drei Jahre in Einsiedeln, in einer Zeit, in der das Kloster praktisch ohne Mönche war. Das Spätmittelalter gilt geschichtsläufig als Zeit voller religiöser Missstände. Das ist buchstäblich nur die halbe Wahrheit. Denn es gab ebenso sehr viele Aufbruchsbewegungen, eine gesunde Laienspiritualität, von der auch Bruder Klaus erfasst war (den Zwingli übrigens sehr schätzte). Schon vor der Reformation existierten vollständige Bibelübersetzungen ins Deutsche. Dass Gottvertrauen wichtiger und wirksamer sei als Wallfahrten, Reliquien und Ablässe, hatte sich schon vor den Reformatoren bei einsichtigen Theologen und Seelsorgern herumgesprochen.

Reformstau war anerkannt
Dass der von allen anerkannte Reformstau sich in gegensätzliche Reformkanäle aufteilte, macht die eigentliche Tragik des Reformationsgeschehens im 16. Jahrhundert aus. Es hätte damals nicht so kommen müssen, und die katholische Kirche betrieb in der Folge nicht einfach «Gegenreformation», sondern eine «katholische Reform».

Zwingli erwarb sich ein fundiertes, vor allem biblisches Wissen weitgehend im Selbststudium und im Kontakt mit Humanisten. Er erklärte in seiner Antrittspredigt, er werde fortlaufend über das Matthäusevangelium predigen. Damit setzte er die liturgisch vorgegebene biblische Leseordnung ausser Kraft. Eine Revolution war das gewiss nicht, aber ein Ausrufezeichen wurde gesetzt.

Skandalöses «Wurstessen»
In der Fastenzeit 1522 veranstaltete die Zürcher Druckerei Froschauer eine Wurstparty mit demonstrativem Bruch der Fastenordnung. Zwingli gehörte zu den Gästen, aber er verköstigte sich mit «Chüechli». In einer Schrift verteidigte er die Freiheit gegenüber den Fastenvorschriften. Daraufhin wurde auch die bischöfliche Behörde in Konstanz hellhörig. Fastengebote waren zwar keine Glaubenssätze, aber nach den Vorgängen in Deutschland war man alarmiert. Die Episode in der Druckerei bedeutete auch ein Signal. Die Erfindung des Buchdruckes machte die Reformation zu einem gewaltigen Medienereignis. In der Folge entwickelte sich eine das Reformationsgeschehen überall begleitende Praxis: die Disputationen, das heisst öffentliche und heftige Diskussionsrunden, vergleichbar mit der «Arena» heute im Fernsehen: Ein Riesenspektakel, wobei es den Zuschauern nicht primär um die Wahrheit ging, sondern man verteilte Punkte nach Witz und Schlagfertigkeit.

Beschimpft als «roter Ueli»
Zwingli legte an der Disputation im Januar 1523 sein Programm vor. Papst und Bischöfe versagen bei Reformfragen. Grundlage aller Veränderung ist einzig die Heilige Schrift, und diese stellt uns den alleinigen Urheber unser Heils vor: Jesus Christus. Darin ist nicht die Rede von kirchlichen Bräuchen und päpstlichen Vollmachten. Alle Reformatoren forderten die Einführung der Priesterehe, wogegen nichts in der Bibel und in der altkirchlichen Tradition stehe. Dabei ging es vor allem auch um eine Sanierung des verbreiteten Konkubinats und der illegitimen Kinder. Zwingli wollte Zürich zu einem Gemeinwesen umgestalten, wo politische und geistliche Funktionen einander zuarbeiteten.

Zwingli war in Zürich nicht unbestritten. Es kam vor, dass ihn Leute in nächtlicher Demonstration vor seinem Amtssitz als fremden «Glarner» und wegen der Haarfarbe als «roten Ueli» beschimpften. 1525 wurde in der Karwoche die Messe abgeschafft und durch das sitzende Abendmahl ersetzt. Das war die empfindlichste Zäsur, und alsbald wurde auswärtiger Messbesuch verboten.

Friedlicher Suppenbrunch
Zwingli wollte die gesamte Eidgenossenschaft in die Reformation führen, unter der Leitung von Zürich und Bern. Das kam bei den Inneren Orten nicht gut an. Die Spannungen zwischen Stadt- und Landorten kochten wieder hoch. Die Inneren Orte solidarisierten sich nicht mit dem Papst, wollten aber auf finanziell ergiebige Solddienste – die Zwingli verabscheute – nicht verzichten, um die «Arbeitslosigkeit» in ihren bevölkerungsstarken Bergregionen zu senken.

Zwingli war überzeugt, dass die Innerschweizer von ihren «Oligarchen», wie er die Landammänner abqualifizierte, gehindert würde, die Reformation anzunehmen. Man könne zwar nie den Glauben andern aufzwingen, aber müsse die Hindernisse mit Gewalt abbauen. Jedoch dämpfte das gewachsene eidgenössische Zusammengehörigkeitsgefühl die kriegerische Aggressionslust. So verbrüderten sich die im Juni 1529 bei Kappel gegeneinander aufmarschierten Heere in einem friedlichen Suppenbrunch.

Von Hungerängsten getrieben
Zwingli suchte die Entscheidung weiter auf eidgenössischem Feld. Aber die Zürcher waren zurückhaltend und die Berner noch zurückhaltender. Man einigte sich auf eine Lebensmittelblockade gegenüber den katholischen Orten. Die Proviantsperre, welche nicht Zwinglis Vorschlag war, weil sie den Falschen schade, traf die auf Vieh- und Milchwirtschaft spezialisierten Inneren Orte ins Mark. Von Entbehrung und Hungerängsten getrieben, nicht aus Leidenschaft für den Glauben, rückten sie im Herbst 1531 erneut aus, und wieder stiessen die feindlichen Heere bei Kappel aufeinander. Darauf spielte «General Zufall» eine Rolle. Man hatte «sportlich fair» den Schlachttermin auf den andern Tag verschoben. Aber ein Urner Haudegen schlug eigenmächtig vorzeitig los und löste Panik bei den Zürchern aus, die überstürzt flohen. Zwingli hielt stand und fiel. Dieser Kurzkrieg dauerte nach militärhistorischen Schätzungen 20 bis 30 Minuten, nicht einmal eine Halbzeit beim Fussball.

Ess- und Trinkgelage als Kitt
Dann aber kam wieder die beste eidgenössische Tugend zum Zug, die Kompromissfähigkeit. Man wollte die Bünde erhalten. Es gab einen Kitt, die Verwaltung der gemeinsamen Vogteien. Die katholischen Orte waren sich ihrer Grenzen bewusst und wollten sich nicht für Papst und Kaiser verheizen. Die Innerschweizer rivalisierten auch untereinander und mussten beispielsweise bei Animositäten zwischen Ob- und Nidwalden vermitteln. An Tagsatzungen raufte man sich zusammen und zelebrierte das wirksamste Bindemittel: Ess- und Trinkgelage, gegenseitige Besuche über die zahlreichen Flüsse und Seen hinweg. Es gab stets überkonfessionelle Freundschaften, aber keine individuelle Glaubensfreiheit. Das lag damals nicht drin.

Albert Gasser

Albert Gasser ist emeritierter Professor für Kirchengeschichte an der Theologischen Hochschule in Chur. Er lebt in Sarnen.

Medien zum neuen Kinofilm «Zwingli»

Zusammengestellt von Urs Stadelmann-Fischer

Unterrichtseinheit zum Kinofilm

Fachzeitschriften, Bücher

  • «kind. 1/19 Reformation in Zürich», Verband Kind und Kirche, Berg am Irchel
    Link zum Verlag «kind.»
  • «Zwingli : ein Glaube versetzt Berge», Staubach Annett; Tut Basel 2019
    Link Katalog PMZ
  • «Zwingli : widerständiger Geist mit politischem Instinkt», Rueb Franz; Baden Hier und Jetzt 2016
    Link Katalog PMZ
  • «Ulrich Zwingli : Prophet, Ketzer, Pionier des Protestantismus», Opitz Peter, TVZ 2015
    Link Katalog PMZ

Comic

  • «Mit vollem Einsatz : ein Comic über das Leben von Huldrych Zwingli», Meyer-Liedholz Dorothea, Bilder: Kati Rickenbach, TVZ 2018
    Link Katalog PMZ

Spiel

  • «Reformation in der Schweiz – en suisse : 500 Jahre Reformation», Lievenbrück, Ursula, Hrsg. Relimedia Zürich 2018
    Link Katalog PMZ

Arbeitshilfe mit Kurzfilm

  • «Immer diese Zwinglis! : Arbeitshilfe zum Animationsfilm mit 7 Bausteinen für Schule und Kirche», Institut Unterstrass an der Pädagogischen Hochschule Zürich, Evangelisch-reformierte Landeskirche des Kantons Zürich ; Projektleitung: Eva Ebel, Dorothea Meyer-Liedholz ; Illustrationen: Kati Rickenbach, TVZ 2018
    Link Katalog PMZ

Filme (DVD/Download ZH)

  • «Die Tatorte der Reformation : Dokumentation», von Andreas Heineke, Matthias-Film 2017 (8 x 15 Min.)
    Link Katalog PMZ
  • «Schweizer Lichtgestalten : Bruder Klaus, Ulrich Zwingli und Johannes Calvin verändern die Welt», von Rainer Wälde, Limburg Rainer Wälde media 2016 (60 Min.)
    Link Katalog PMZ